Zeitenwende für das deutsche Geschäftsmodell – Herausforderungen und Chancen für Unternehmen, Staat und die Finanzwirtschaft
Hauke Burkhardt beim BankenDialog 2023
Hauke Burkhardt, Head of Trade Finance & Lending DACH, Deutsche Bank, sprach im BankenDialog Karlsruhe am 29. März über das Spannungsfeld von Nachhaltigkeit, Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit sowie die Rolle von Banken, Staaten und der Gesellschaft in der Transformation.
Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein. Dies erfordert eine grundlegende Transformation insbesondere in den Bereichen Transport, Kreislaufwirtschaft, Energie. Nach einer Studie von McKinsey werden hierfür rund fünf Billionen Euro an Ersatzinvestitionen sowie eine Billion an ergänzenden Investitionen benötigt. Bricht man dieses Volumen auf ein Jahr herunter, entspricht es sieben Prozent des deutschen Bruttoinlandprodukts. „Die größte Herausforderung liegt aber nicht in einzelnen Aufgaben oder in der Dimension der notwendigen Transformation, sondern vor allem in der Parallelität der verschiedenen Aufgaben, in einer hohen Komplexität und in inhärenten Zielkonflikten.“ Mit diesem Einstieg eröffnete Prof. Dr. Christiane den ersten BankenDialog Karlsruhe 2023.
„Das aktuelle Umfeld beschleunigt die Dringlichkeit des Wandels, denn die digitale und nachhaltige Transformation erstreckt sich auf alle Lebensbereiche.“ Zum Einstieg in das Thema der Zeitenwende im Industriestandort Deutschland präsentierte Hauke Burkhard die wichtigsten Herausforderungen der letzten Jahre. Hierzu zählen der Krieg in Europa, die Unterbrechung der Lieferketten, eine Inflation, welche in der Eurozone im Februar bei 8,7 % lag sowie der Anstieg der Strom- und Gaspreise um circa 50% in 2022. Die sechs Zinserhöhungen bis zu dem aktuellen EZB-Leitzins von 3,5% waren in dieser Schnelligkeit und dem Ausmaß bislang nicht vorhanden. Damit zählt das Zinsumfeld ebenso zu Unternehmen, Staat, Finanzwirtschaft und Privatpersonen vor Herausforderungen.
Anhand der Gasversorgung zeigte Hauke Burkhardt auf, wie wichtig Rohstoffe, für das „am meisten industrialisierte Land in Europa“ sind. Hierbei wies er auf die Abhängigkeit Deutschlands von anderen Ländern hin. Der Druck nachhaltig zu werden steigt und die Zeit Klimaneutralität zu erreichen, verkürzt sich. Des Weiteren sind die Faktoren Resilienz: „wie stelle ich sicher, dass ich Energie habe“ und Wettbewerbsfähigkeit zu beleuchten. Diese drei Faktoren bezeichnete Herr Burkhardt als das neue magische Dreieck.
Eine wichtige Rolle spielen hierbei Rohstoffe, da diese für Batterien, Windräder und Solarzellen benötigt werden. Von den 30 von der EU als kritisch definierten Metallen, wird die 10- bis 20-fache Menge in der Zukunft benötigt. Die Verarbeitung dieser Metalle konzentriert sich global auf drei Länder mit einem Fokus auf China. Im Rahmen des „Raw Material Act“ der EU wurde sich damit auseinandergesetzt, wie diese Metalle in Europa wieder vermehrt gewonnen und verarbeitet werden können. Teil dieser Überlegungen ist auch, wie strategische Rohstoffpartnerschaften aussehen können und wie das Thema Recycling in Europa umgesetzt werden kann. Eine gesellschaftliche Anerkennung ist jedoch die Grundlage dafür. Beachtlich ist hierbei: „93% aller Primärressourcen werden nicht recycelt.“
Auch auf der Energieseite muss Deutschland resilienter und nachhaltiger werden. Die nachhaltige Transformation der Energieimporte wurde vor allem durch den Russland-Ukraine Krieg beschleunigt. Wichtig ist hierbei, dass die nötige Energie nicht allein in Deutschland hergestellt werden kann. Investitionen beispielsweise in Solarparks in Spanien seien effizienter. Dafür benötige es jedoch ein europäisches Energienetz, um diese Energie nach Deutschland zu transportieren.
Neben Rohstoffen, ist auch der Themenkomplex der Lieferketten im aktuellen Umfeld von Bedeutung. Wesentliche Entwicklungen seien hierbei das „Here Shoring“, ein Ausbau des Lieferantennetzes und ein größeres Vorratswarenlager, um den Einkauf resilienterer zu gestalten. Die zuvor angesprochenen sechs Billionen Euro aus der Nachhaltigen Transformation erhöhen sich durch diese Verbesserung der Resilienz und die Digitalisierung voraussichtlich auf 10 Billionen.
Höhere Produktionskosten durch die Transformation müssen sich in höheren Margen widerspiegeln, was vor allem durch Spezialisierung und Qualitätsmerkmale erreicht werden kann – zwei Eigenschaften, welche in Deutschland seit langem vorhanden sind.
„Trotzdem sehen wir bisher zu wenig Fortschritt aufgrund immer noch großer Hindernisse.“ Nichtsdestotrotz ist in Deutschland noch zu wenig Fortschritt erkennbar. Deutsche Unternehmen investieren zu wenig in Klimaneutralität. Zudem müssten sich IT-Investitionen verdoppeln bis verdreifachen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Hindernisse sind hierbei vor allem die Bürokratie, der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, unsichere Investitionsrenditen zum Beispiel durch volatile Energiepreise und Beschaffungskosten, sowie eine hohe Kapitalbindung durch größere Warenlager.
Die Banken allein werden diese Probleme in der Transformation nicht lösen, da ihr Handlungsspielraum hierfür zu klein ist. Dennoch sind sie als Intermediäre ein wesentlicher Teil der Transformation. „Bei der Finanzierung braucht es neue Lösungen und enge Zusammenarbeit zwischen Banken, Kapitalmärkten und öffentlicher Hand“, so Hauke Burkhardt.
Auf Kapitalmarktebene kann durch eine Kapitalmarktunion ein tieferer und einheitlicher Kapitalmarkt unter anderem für Risikokapital und grüne Verbriefungen entstehen. Die öffentliche Hand kann die richtigen Impulse setzen und besondere Risiken finanzieren, für die es zunächst keinen privaten Markt gibt. Durch das Hebeln von Investitionen wird der Staat Initiator, bewegt jedoch nicht das größte Volumen.
Insgesamt sieht Hauke Burkhardt die Transformation als größte Chance des Jahrhunderts, da die europäische Industrie weltweit führend in wichtigen Transformationsindustrien ist und das technische Know-How angewendet werden kann. Durch internationale Spitzenplätze europäischer Universitäten und die starke Ausprägung von Forschung und Entwicklung, kann die Zeitenwende zum Vorteil genutzt werden. Unterstützend wirkt hierbei die „DNA der Gesellschaft“ im Bereich nachhaltige Transformation.
Auf den Vortrag folgte eine intensive Diskussion, in der die Theme Globalisierung, Werteorientierung, Resilienz und Leistungsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft vertieft wurden.
‚Back to the roots‘ - Hauke Burkhardt ist Absolvent des Studiengangs Bank der Dualen Hochschule Baden-Württemberg – es war sehr erfreulich, ihn in seiner aktuellen Funktion wieder hier an der DHBW zu begrüßen.
Der BankenDialog Karlsruhe ist eine Veranstaltung des Studiengangs BWL-Bank an der DHBW Karlsruhe. Er fördert den Gedankenaustausch innerhalb der Finanzierungscommunity der TechnologieRegion Karlsruhe. Die Veranstaltungsleitung liegt bei Prof. Dr. Christiane Weiland, die durch die Veranstaltung führte.
Unterstützt wurde die Veranstaltung durch die Deutsche Bundesbank, die L-Bank und die Deutsche Bank.
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Text: JK/DI, Fotos: DHBW | BAY/JK